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Elektroepilation und die Bedeutung der Wachstumsphasen

Richtig oder Falsch?  Um Haare mit der Elektroepilation erfolgreich zu entfernen, müssen sich diese in der anagenen Wachstumsphase befinden. Nur dann ist die Behandlung erfolgreich.

Eins vorweg: Die Aussage ist falsch!  Die Behauptung, Haare könnten nur in der aktiven, also anagenen Wachstumsphase erfolgreich entfernt werden, kursiert schon seit Jahrzehnten in Kollegenkreisen. Versucht man der Herkunft dieser Aussage auf den Grund zu gehen, bleibt die Antwort offen. Irgendwann war sie einfach da und hält sich seitdem hartnäckig. Als ungeschriebenes Gesetz wird sie sogar in Schulungen und regelmäßig von einer Kollegin zur nächsten weitergegeben. 

Auch ich war lange von der Richtigkeit dieser Aussage überzeugt. Doch die Wahrheit ist - und hier kommt die gute Nachricht - Haare können in allen Wachstumsphasen erfolgreich mit der Elektroepilation behandelt werden.

Laut der Haarwachstumstabelle nach Richards und Meharg befinden sich nur etwa 20% der Haare an den Armen und Beinen und 30% der Achsel- und Intimbehaarung in der anagenen Wachstumsphase. Der Rest, also 70 bzw. 80% der Haare in diesen Arealen, befinden sich in der telogenen Wachstumsphase. Hinweis: Diese prozentualen Angaben sind nicht vergleichbar mit Gesichtsbehaarung! Der Anteil an Haaren in der anagenen Phase ist im Gesicht deutlich höher als bei Körperbehaarung.

Folgt man nun der Behauptung, dass Haare nur in der anagenen Wachstumsphase erfolgreich behandelt werden können, sind je nach Areal 70-80% der Haare nicht behandelbar und sollten demzufolge konsequenterweise nicht behandelt werden. Diese Vorgehensweise wird auch von einigen wenigen Kolleginnen so praktiziert. In bestimmten Ausgangssituationen kann dies durchaus eine sinnvolle Vorgehensweise sein. Insbesondere wenn bis kurz vor Behandlungsbeginn rasiert wird. In diesen Fällen zeigt sich ohnehin nur ein Bruchteil der tatsächlichen Behaarung. Haare in der anagenen Phase sind mit der Papille verbunden, werden versorgt und wachsen mehr oder weniger schnell aus dem Haarfollikel heraus. Im Unterschied dazu wachsen Haare in der katagenen Phase nur noch sehr langsam bis sie gar nicht mehr versorgt werden und in der telogenen Phase darauf warten abgestoßen zu werden. Je nachdem wie viel Zeit zwischen Rasur und Behandlung liegt, ragen also unterschiedlich lange und kurze Haare aus dem Haarfollikel heraus. Die Haare werden aber ihrerseits als Wegweiser benötigt, um die Epilationsnadel korrekt im Haarfollikel zu positionieren. Sind die Haare zu kurz, erschwert das die Insertion, sowie die korrekte Positionierung der Epilationsnadel und wirkt sich letztlich auf den Erfolg der Behandlung aus. Im besten Fall wachsen aus diesen Haarfollikeln geschwächte Haare nach und im ungünstigsten Fall wachsen nachwachsende Haare ein. Wird zwischen den Behandlungen weiter rasiert, bleiben immer wieder unbehandelte Haarfollikel zurück und die Behandlung zieht sich unnötig in die Länge.

Während meiner langjährigen beruflichen Laufbahn habe ich die verschiedensten Vorgehensweisen ausprobiert und ein großes Potenzial an Erfahrungen sammeln können. Meine inzwischen bevorzugte Vorgehensweise wirkt zunächst befremdlich und erfordert von meinen Kunden eine gewisse "Vorarbeit". Damit ich einen möglichst ursprünglichen Haarbestand als Ausgangssituation bei Behandlungsbeginn vorfinde, sollen die Haare mehrere Monate nicht mehr entfernt werden. Vorteil: Bereits nach dem ersten Behandlungsdurchgang ist eine deutliche Reduktion der Behaarungsdichte um mehr als 50% sichtbar. Da sich die prozentuale Verteilung zwischen anagenen und telogenen Haaren nicht verändert, wird klar, dass die Wachstumsphase der Haare für die erfolgreiche Behandlung bei der Elektroepilation keine Rolle spielt. 

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, deshalb hier ein Beispiel aus meiner Praxis. Das Bild links zeigt ein Bein vor der ersten Behandlung und das Bild rechts zeigt das Bein 6 Monate später, dazwischen fanden keine weiteren Behandlungen statt. Für solche Ergebnisse kann man die Haare auch mal wachsen lassen.

Bein rechts; 6 Monate nach der ersten Behandlung

Man könnte jetzt sagen, aber das müsste doch auch mit rasierten Haaren funktionieren. Nicht ganz, weil Haare nunmal unterschiedlich schnell wachsen und dadurch eine sehr große Anzahl an Haaren gar nicht behandelt werden können. Gleichzeitig müht man sich an den oft viel zu kurzen Haaren ab und das kostet unnötig Zeit und Geld. Der größte Nachteil ist jedoch, dass sich ein der sichtbare Erfolg deutlich langsamer einstellt und damit steigt die Frustration über den augenscheinlich schleppenden Fortschritt. Ich kenne ehrlich gesagt keinen Grund, warum man sich manche Dinge schwerer machen sollte, als man muss.